Vor ca. 15 Jahren, im März 1999 wurde in Asunción der damalige Vizepräsident Argaña auf schleierhafte Art ermordet.
Argaña war für viele ein schwer kontrollierbares Risiko. Er war ein sich selbst verherrlichender radikaler Einzelgänger, gefährlich, unberechenbar, wenig gesellig aber in den Kreisen der ehemaligen Stroessner – Anhänger äußerst beliebt und obendrein ein sehr guter Redner.
In den Bonzenkreisen der Colorado Partei war oft, wenn von ihm gesprochen wurde, von dem ungekrönten König die Rede. Es wurde gemunkelt, dass er der eigentliche Sieger bei den internen Wahlen der Colorado Partei, 1993 und 1998 gewesen sei.
Zweimal wurde ihn das zum greifen Nahe Zepter vor seiner Nase, durch Fälschung der Parteiergebnisse gestohlen. Damals galt: Wer die internen Wahlen der Colorado – Partei gewinnt, wird automatisch Präsident der Republik.
Was unmittelbar nach dem Mord folgte war ungebändigter öffentlicher Aufruhr, der mutmaßlich von vermummten Unruhestiftern angespornt wurde die die Jugend in Rage brachte und auf die Straßen hetzte. Fragt man heute diese Leute, warum sie das eigentlich getan haben erhält man keine überzeugende Antwort. „Ich war arbeitslos, sauer und jung“ sagt José. Oder: „Wir wollten einfach unsere Wut ablassen“, ein anderer. Und andere wiederum gaben unschuldig schmunzelnd zu “Ich hatte nie die Gelegenheit gehabt ein Molotovcocktail gegen die Polizei zu werfen“.
Damals wurden auch tatsächlich Molotovcocktails durch die Luft geschleudert, Autoreifen angezündet und sinnlose Parolen geschrien. Wie in einem Spiel.
Bis es dann plötzlich ernst wurde. Wie aus dem Nichts tauchten Scharfschützen auf, die sich auf Hochhausdächer verschanzten und willkürlich auf einzelne Personen der randalierende Bevölkerung schossen. Das Massaker, das Blut, die weinenden Mütter, die Bilder der Presse die sich “rein zufälig“ an genau dem Ort befand, führte letztendlich zum Sturz der Regierung des damaligen Präsidenten Cubas.
Der Plan war gelungen.
Wer von all dem profitierte (Tod von Argaña und Sturz der Regierung) ist zu klar um es offen aussprechen zu können. Jeder weiß es im Grunde genomen, aber wie so oft in diesen Fällen, fehlt es an tatkräftigen unwiderlegbaren Beweisen um die Betroffenen zu richten.
Dennoch wird bis heute, zu diesem Thema, politisches Seemansgarn gewoben und die vielen unbeantworteten Fragen und zahlreichen Widersprüche haben die verrücktesten Verschwörungstheorien hervorgebracht.
Das einzig Fassbare und Dramatische sind die Leichen der jungen Menschen die von den Scharfschützen ins Visier genommen und ermordet wurden. Sie schreien immer noch lautlos nach Vergeltung.
Ca. 12 Jahre später scheint sich ein verdächtig ähnliches Ereignis genauso zu wiederholen.
Auch hier redet man von Scharfschützen. Auch hier gibt es Tote. Und auch diesmal führte dieses Ereignis zur Änderung der Machtverhältnisse im Land.
Nur ist das Szenario anders. Diesmal heißt der Schauplatz nicht „Platz der Demokratie“ – Ort in Asunción, der zu Ehren der damaligen Opfer diesen Namen trägt – und es sind nicht junge von der Presse hochgepriesene “Freiheitskämpfer“, sondern es sind eher unwillkommene “böse“ Bauern.
Böse Bauern die Land besetzen und Terrorpläne schmieden. Gott sei Dank ist seit 1999 viel Wasser den Bach hinuntergeflossen, Gott sei dank haben die sozialen Netzwerke der hiesigen Presse, die größtenteils zur Musik von Großgrundbesitzern und Soja – Mogulen tanzt, mittlerweile ihre Segel gerefft. Und Gott sei Dank können wir uns heute die wahre Geschichte besser ausmalen. Zumindest wahrer, glaubhafter und weniger widersprüchlich als vor 15 Jahren.
Im Jahre 2012 wurden 2.000 Hektar Land in der Nähe von Curuguaty von Bauern besetzt. Das Land gehörte einst der paraguayischen Marine – deshalb der Name (Marinakue. 2004 wurde dieses Land der Regierung übergeben um als Teil einer Agrarreform an landlose Bauern verteilt zu werden.
Eine Firma mit den Namen Campos Moroti soll aber diese 2.000 Ha., 2001, drei Jahre vor Übergabe an die partaguayische Regierung, und während das Land noch der paraguayischen Marine gehörte, bereits erworben haben. Bis heute fehlt hierzu jegliche Eintragung im Grundbuch. Inhaber dieser Firma soll Blas N. Riquelme, ehemalige Vertrauensperson des Diktator Stroessners, gewesen sein, der in das Soja-Geschäft eingestiegen war und diese 2.000 Hektar mit Soja bepflanzt hatte.
Da weder eine Grundbucheintragung noch ein Grundstücktitel aufzufinden waren und auch bis heute nicht aufgefunden wurden, wollten sich die Bauern über die Eigentumsverhältnisse informieren und den Eigentumsnachweis sehen.
Das zuständige und angerufene Gericht erklärte im Jahr 2004, trotz dieser fehlenden Nachweise und mit an den Haaren herbeigezogenen Argumente, die Firma Campos Morotí als rechtmässige Eigentümerin. Und die Bauern wurden aufgefordert das Grundstück zu räumen.
Die Bauern erkannten dieses Urteil nicht an und befolgten nicht die Aufforderung das Grundstück zu räumen. Sie versuchten nun Jahrelang auf gesetzliche Art und Weise zu ihrem Recht zu kommen, wurden aber immer wieder von den Ordnungskräften verjagt, besetzten aber immer wieder das besagte Land. Bei diesen Räumungen ist es jedoch nie zu blutigen oder gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.
An 22 Juni, eine Woche vor dem Misstrauensvotum gegen den damaligen Staaspräsidenten Lugo, erschienen in Curuguaty ungefähr 330 schwer bewaffnete Polizisten und eine Gruppe einer Spezialeinheit der paraguayischen Armee um das umstrittene Grundstück von Bauern ein für alle Mal zu räumen. Warum verordnet wurde derartige Kampfeihneiten und vor allem in diesem Ausmaß an diesen Ort zu schicken, ist bis heute ein Rätsel, da die meisten Bauern mit Stöcken und Äxten bewaffnet waren, abgesehen von einer Handvoll, die uralte Flinten trugen.
Es kam zu einer Schiesserei. Wie es hierzu kam und wer angefangen hat, ist schleierhaft. 11 Bauern und 6 Mitglieder der Ordungskräfte fielen. Die Berichte der Balistikexperten besagen, dass die meisten Polizisten und Mitglieder der Armee-Spezialeinheit mit Geschossen getötet wurden, die weder zu den Waffen der Bauern noch zu denen der Polizei oder der Spezialeinheit gehören.
Einige Mitglider der Spezialeinheit vermuten, dass es sich um im Dickicht versteckte Scharfschützen gehandelt haben muss, die diese Morde verübt haben.
Die Folge dieses Ereignisses war eine Flut von Verschwörungstheorien. Die wichtigste besagt, dass die Landbesetzung von Curuguaty und die Räumungen so lange friedlich verliefen bis die Geschichte allmählich ins Parlament und zu Ohren in die „höheren Regionen der Politiker“ sickerte und zu der Gruppe gelangte die bei einer blutigen Auseinandersetzung, ein weiteres Argument sah, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Staatspräsidenten Lugo anzustrengen. Tatsächlich war das „Argument Curuguaty“ auch einer der Hauptgründe für seine Amtsenthebung.
Warum die Regierung von Lugo nur wenig gegen diese Machenschaften entgegensetzen konnte, hat unter anderem zum grossen Teil damit zu tun, dass Lugos ehemalige Verbündete, die liberale Partei – mit der Lugo an die Macht gekommen war – sich nun mit Lugos Widersachern verstand.
Nach Lugos Amtsenthebung übernahm, gemäss der Verfassung, der Vizepräsident, Federico Franco, die Regierung. Er war führendes Mitglied der liberalen Partei und sein Verhältnis zu Präsident Lugo war stets sehr gespannt. Nach seiner Abwahl schwebt gegen ihn eine Anklage wegen Veruntreuung von Staatsgeldern, die mutmaßlich während seiner Amtszeit, verübt wurde.
Die Anführer der Landbesetzer sitzen seit drei Jahren ohne Anklage in Untersuchungshaft ohne dass bis heute Beweise vorliegen die sie mit den Morden verbinden.
Genauso wie vor 16 Jahren wurden in den höheren Sphären diejenigen bevorzugt die am Hebel sitzen und ohne jegliche Skrupel über Justiz, Demokratie und der Dummheit des Volkes immer noch höhnisch lachen.
Bis wann? Das ist wahrscheinlich die einzige Frage die diese Menschen sich nicht trauen ernsthaft zu beantworten.

'Die ungeklärte Absetzung von Fernando Lugo nach dem Massaker von Curuguaty Wenn ein Plan zum Muster wird' wurde noch nicht kommentiert
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